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Ebook: ISBN-13: 9783739450674

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Hier eine kleine Leseprobe - ich wünsche euch viel Spaß und eine anregende Unterhaltung damit! :)

 

ERSTER BAND – RIVALITÄT DER BRÜDER

PROLOG – BURNSIDE/LOUISIANA 1829

Zum Teufel! Wo ist Quentin? Nathaniel Bennetts Augen verengten sich, als er die Gegend nach seinem Aufseher absuchte. Hoch zu Pferd schaute er auf seine Sklaven zwischen den Baumwollstauden hinab. Irgendetwas war anders. Keiner muckte, alle pflückten Baumwolle in Windeseile, niemand bettelte um Wasser, obwohl die Sonne heiß vom Himmel brannte. Warum waren sie heute derart fügsam und fleißig?

»Wo ist Quentin abgeblieben? Hat jemand von euch ihn gesehen?«, forschte er im herrischen Ton.

Verneinend schüttelten die Sklaven ihre Wollschöpfe. Sie arbeiteten weiter, ohne aufzuschauen.

Verlogenes Pack! Irgendetwas verbergen sie! Haben sie Quentin etwas angetan? Sein Blick wanderte durch die Reihen der Untergebenen. Sicherheitshalber zählte er durch. Moment – da fehlt jemand! Die Männer waren vollzählig. Also ein Weib! Befand sich sein Vorarbeiter bei einem heimlichen Stelldichein? In der Nähe?

Jäh schwang Nathaniel sich vom schwarzen Hengst und stapfte, mit der Peitsche drohend, auf eine Sklavin zu. Er bemerkte, wie ihre Hände zitterten. »Nahla, was ist hier los?« Knallend ließ er die Peitsche durch die Luft sausen.

Erschrocken duckte sich Nahla. »Sir Bennett, ich bitte Sie, fragen Sie jemand anderen.«

»Ich frage dich!«

Ihre Augen glitten zu den entfernten Büschen.

»Ist er dort hinten?«

Ihr zustimmendes Nicken war kaum wahrnehmbar. Nathaniel beachtete Nahla nicht länger, sondern eilte Richtung besagter Stelle. Er stoppte, bevor er sein Ziel erreicht hatte. Stöhnt da wer? Heißer Zorn brodelte in ihm. Quentin gab sich offenbar irdischen Freuden hin, statt sich um seine Pflichten zu kümmern. Dem werde ich Beine machen! Nathaniel zog die Waffe und schlich weiter. Mit einem Satz sprang er aus dem Busch hervor und befand sich inmitten einer kleinen Lichtung. Er starrte auf Quentins Rücken. Noch immer hatte der Vorarbeiter ihn nicht bemerkt. Es dauerte eine Weile, bis Nathaniel begriff, was da vor sich ging. Die Sklavin Eliza wimmerte, ihre Haut glänzte vor Schweiß, sie atmete röchelnd und stoßweise. Der Boden war ringsum besudelt mit Blut. Bekommt sie ein Kind? Nathaniel ließ die Waffe sinken, steckte sie in die Halterung zurück und trat näher. Selbst jetzt wirkte der Bauch der Sklavin kaum fülliger als sonst. Eliza bäumte sich auf, während Quentin mit seinen Händen ein Mädchen aus dem sterbenden Leib zog. Der Säugling schrie. Ein Wunder, inmitten des Blutes!

Nathaniel blickte in die entsetzten Augen seines Vorarbeiters, die feucht schimmerten. Notdürftig schlug Quentin seine Jacke ums Kind. Nathaniel kniete sich an die Seite der Sklavin. Ihr Brustkorb senkte sich, sie hauchte den letzten Lebensatem aus. Verblutet. Er schluckte, diese Szene rührte an sein Herz. Nathaniel schloss sanft Elizas leblosen Lider. Seufzend erhob er sich und betrachtete Quentin, der das Neugeborene schützend hielt. Obwohl sein Vorarbeiter nichts gesagt hatte, wusste Nathaniel, dass Quentin der Vater des Säuglings sein musste.

Könnte das Mädchen ein Ersatz für Fionas totes Kind sein und vermögen, meine Frau aus ihrer Schwermut zu holen? Wenige Monate zuvor hatte sie ein Baby geboren. Es war von schwächlicher Natur gewesen und bereits am dritten Tag in Fionas Armen gestorben. »Komm, gib mir das Mädchen«, forderte Nathaniel Quentin auf.

Sein Gegenüber zögerte.

»Vertrau mir, ich habe nichts Böses im Sinn, sondern möchte es Fiona bringen. Die wird mit dem Balg sicher Freude haben.«

Quentin blickte zitternd auf das kleine Wesen, auf seine Tochter. Er wusste, dass sie kaum einen besseren Platz – als im Haus seines Vorgesetzten – finden würde. Doch wie sollte er sich jemals verzeihen, dass Eliza tot im verdorrten Gras lag? Bereitwillig hatte sie ihm Leidenschaft und Wärme geschenkt. Und nun? Nun verfluchte er sich dafür. Ohne ihn würde es dieses Kind nicht geben und Eliza könnte noch leben. Quentin schaute in die dunklen Augen seiner Tochter und fühlte innige Zuneigung. Der Gedanke, die Kleine könnte irgendwann derart ausgebeutet werden, wie all die anderen Sklaven auf dieser Plantage, zerriss ihm fast das Herz.

»Bestimmt willst du nicht, dass es in den Baracken groß wird. Ich gebe dir mein Wort: Das Kind muss nicht auf die Felder, sondern soll bei uns im Haus eine Anstellung bekommen, sobald es alt genug dafür ist. Das mache ich, weil ich dich als loyalen Mitarbeiter schätze. Nichtsdestotrotz, Eliza ist mein Eigentum und ihr Nachwuchs ebenfalls. Du hättest ohnehin kein Recht auf das Mädchen, ungeachtet dessen, dass du frei und weiß bist.« Nathaniel nahm ihm den Säugling ab.

Quentin sank auf die Knie. »Thalia«, flüsterte er rau.

»Was sagst du?«

»Es soll Thalia heißen. Das war Elizas letzter Wunsch – wenn es ein Mädchen wird.«

»Meinetwegen. Aber nun vergiss das Kind und vor allem, dass es deines ist!«

Sei dankbar!, ermahnte Quentin sich innerlich. Dieses Mädchen würde es zumindest besser haben als einst seine Liebe. »Ich verspreche Ihnen, niemals meine Vaterschaft öffentlich kundzutun. Aber die anderen Sklaven …«

»Darum kümmere ich mich. Denn sollte einer von ihnen tratschen, schenke ich demjenigen eine Wanderung durch das Moor.«

Quentin schluckte. Das kam einem Todesurteil gleich. Früher, vor der Zeit mit Eliza, hätte er darüber gelacht. Doch durch das Beisammensein mit ihr hatte er erst all die Ungerechtigkeiten begriffen. Erschaudernd musste Quentin erkennen, dass er selbst Teil dieses unfairen Systems war, in dem Weiße durch die Ausbeutung der Schwarzen profitierten. Wie konnte er es gutheißen, dass die Tiere im Stall behaglichere Unterkünfte hatten, regelmäßig mit ausreichend Wasser und Futter versorgt wurden, während die Sklaven kaum das Nötigste zum Überleben erhielten? Weshalb lehnte er sich nicht auf? Und aus seiner Hoffnung, Eliza eines Tages freizukaufen, blieb ein bitterer Nachgeschmack. Es gab keine gemeinsamen Träume mehr, sondern seine große Schuld! Quentin rückte näher zum leblosen Körper. Er strich über Elizas krauses Haar, ließ es durch seine Finger gleiten.

»Ich werde dafür sorgen, dass dir jemand beim Abtransport des Leichnams behilflich ist.«

Tiefe Schluchzer entwichen Quentins Kehle, während Nathaniel mit dem Säugling davonging.


 

BURNSIDE/LOUISIANA JULI 1850

»Lillian«, zischte jemand und zog mich hinters Gebüsch.

»Grace? Was soll …«

»Psst.« Meine Freundin hielt mir den Mund zu. »Dort drüben, schau«, flüsterte Grace, ehe sie ihre Hand sinken ließ.

Ich lugte zur Seite und entdeckte einen weißen Mann, der einen Schwarzen grob vom Karren zog.

»Lebt der noch?« Ein gequältes Stöhnen, als dieser auf den Boden prallte, beantwortete meine Frage.

»Elender Bastard!«, zischte Grace neben mir.

Ich zitterte. Als der Weiße den armen Kerl heftig trat, um ihn in den Straßengraben zu stoßen, schloss ich entsetzt die Augen. Das gepeinigte Wimmern drang bis zu uns, wurde leiser, bis es verstummte. Kurz darauf fuhr das Gespann an. »Komm, wir müssen nach ihm sehen!«

»Nein! Lass ihn! Er wird sterben.«

Ich hörte nicht auf Grace, sondern rannte zum Schwarzen. Entgeistert taumelte ich zurück. Ist er tot? Vor mir lag ein Junge, kaum älter als ich mit meinen knapp neun Jahren. Er war nackt, ihm fehlten sämtliche Finger und aus den Wunden quollen dicke Maden.

»So eine grausame Verstümmelung, offensichtlich hat er gestohlen.«

Verdattert konnte ich den Blick nicht von diesem schmächtigen knochigen Körper lösen. Grace wusste so viel mehr, als ich mit meiner unbekümmerten Art. Sie war fünf Jahre älter. Mein Vater hatte einst ihre Eltern als Sklaven gekauft und freigelassen. Seitdem arbeiteten sie mit den anderen Bediensteten gegen Entlohnung auf unseren Tabakfeldern. Es gab Schwarze, Mulatten, Weiße und sie hatten eines gemein: ihre Freiheit. Das unterschied uns grundlegend von den Plantagen ringsum. Da ich keine Geschwister hatte, suchte ich oft Anschluss bei den anderen Kindern. Grace war mir von allen die liebste.

Meine Freundin nahm mich an der Hand. »Wir müssen verschwinden.«

Ich entdeckte ein Brandzeichen auf der Brust des Jungen. »B – wofür steht das?«

Grace seufzte. »Für die Bennett-Baumwollplantage.«

»Bennett – unser Nachbar?«

Sie nickte und zog mich fordernd ins schützende Dickicht.

»Ist … darf man das? Ihn ablegen?«

»Was weiß ich!«, zischte Grace sauer.

»Du hältst mich für dumm, nicht wahr?«

»Du hast keine Ahnung, was es bedeutet, schwarz zu sein! Was würde ich dafür geben, deine helle Haut zu haben!«

»Für mich ist das nicht wichtig. Ich wäre lieber kaffeebraun wie du oder meine Mutter.«

»Du bist tatsächlich dumm! Die Hautfarbe entscheidet über das Leben. Denkst du, einem Weißen würde so etwas passieren? Dein Vater schätzt uns. Aber du merkst selbst, wenn wir am Hafen sind, wie die Männer mir nachschauen. Ich bin für sie nur eine verderbliche Ware. Sobald ich alt genug bin, gehe ich fort in den Norden.«

Ich schluchzte.

»Mein Gott, weinst du jetzt?«

Mir wurde alles zu viel. Der tote Junge! Und Grace wollte gehen?

»Entschuldige, ich war grob.« Meine Freundin nahm mich in den Arm. »So rasch lass ich dich nicht allein.«

Ich wischte mir über die nassen Wangen.

»Deine Mutter Elina ist sicher froh, dass du hell bist. Sie weiß selbst, wie es sich anfühlt, wenn man von der Gesellschaft nicht akzeptiert wird. Und das, obwohl ihre Eltern die Plantage aufgebaut haben und sie, seit Geburt, frei ist. Es gibt bloß wenige Männer – wie deinen Vater – die sich über die Konventionen hinwegsetzen, besonders bei uns im Süden. Deswegen müssen wir vorsichtig sein, auch du! Denn Sklavenfreunde sind hier nirgends gern gesehen.«

»Mutter hat nie etwas gesagt.«

»Das wird sie nicht tun, weil Elina dich vor allem Unheil auf dieser Welt schützen möchte. Doch der heutige Tag hat dir gezeigt, wie es wirklich ist. Menschen können Bestien sein.«

Bestien? Demnach musste Bennett eine Bestie sein. Schweigend rannten Grace und ich heim, begleitet von diesem grausigen Bild des Jungen in meinem Kopf.

 

*

 

»Herr Vater! – Mutter!« Finn Bennett rief schon von Weitem. In einer Hand hielt der Fünfzehnjährige ein Gewehr, mit der anderen schleifte er etwas Schweres hinter sich her. Es fehlte nicht mehr viel, dann würde er ebenso groß und stark wie sein Vater sein. Finn lief zwischen den alleeartigen Eichenbäumen hindurch, folgte dem weißen Kies, der direkt zum Haupthaus führte. Suchend schaute er zu den Fenstern und hoffte, dahinter eine Regung zu bemerken.

»Vater! – Mutter!« Sein Ruf wurde drängender. Wie zum Trotz standen die Säulen – einem Mahnmal gleich – vor ihm, erhaben, in stoischer Eintracht und stützten das schwere Dach. Um das gesamte Gebäude waren Veranden angeordnet, die Schutz spendeten vor Sonne, Regen und Wind. Von oben konnte man den angrenzenden Fluss sehen. Finn war das einerlei, aber sein schwächlicher Bruder Cedric saß oft dort und starrte stundenlang vor sich hin.

Als er an Cedric dachte, grunzte er verächtlich. Finn stolperte über einen Ast. Fast wäre er gestürzt. Hastig guckte er sich um. Jemand da? Er entdeckte niemanden. Nur der Wind rauschte durch die Blätter. Das hätte ihm gefehlt, dass er sich wegen einer Unachtsamkeit vor einem Sklaven blamieren würde. Erleichtert stieß er Luft aus. Er wischte sich über die schweißnasse Stirn. Das Hemd sowie sein schwarzes Haar klebten an der Haut. Finn umfasste das Gewehr und die Beute fester. »Ich hab ihn erwischt – diesen räudigen Köter – erlegt!« Wochenlang hatte er das Versteck ausgekundschaftet und darauf gewartet, bis er zuschlagen konnte.

Rasch eilte Finn weiter. Außer Atem drückte er mit seinen dreckigen Stiefeln die doppelflügelige Tür auf und zog das tote Tier achtlos über den blank polierten Steinboden ins herrschaftliche Haus. Thalia, die persönliche Haussklavin seiner Mutter Fiona, kam aus der Küche und erschrak, als der Knabe so plötzlich vor ihr auftauchte. Beinahe hätte sie die Wasserschüssel aus ihren Händen fallen lassen. Flüssigkeit schwappte auf den Boden und hinterließ eine kleine Pfütze.

»Master Finn, Sie sind heute besonders stürmisch.«

»Aus gutem Grund.«

»Das glaube ich aufs Wort.« Ihr Blick glitt über den schmutzigen Knaben. Das sonst weiße Gesicht war vom Staub schlierenartig dunkler gefärbt. Sogleich dachte sie daran, dass Sir Bennett vom äußeren Erscheinungsbild des Sohnes nicht begeistert sein würde. Jedoch der Kadaver des abgemagerten Tiers dürfte ihm noch weniger Freude bereiten, zumindest innerhalb dieser Räumlichkeiten. Thalia war versucht, Finn hinauszuschieben, wie sie es früher getan hatte, damit er oder sein Zwillingsbruder Cedric nicht den Groll des Vaters auf sich zogen. Doch so unberechenbar wie Finn in letzter Zeit war, wagte sie es nicht, sich ungefragt einzumischen. Seine Augen funkelten oft hart. Manchmal schaute er ganz eigenartig und erinnerte sie an einen brünstigen Stier. Momentan strahlten sie hingegen Ungeduld aus.

»Wo sind meine Eltern?«, herrschte der Bursche Thalia an.

Die Sklavin wich einen Schritt zurück. Schon jetzt befürchtete sie, dass Finn sich einmal als gnadenloser Herr in diesem Haus erweisen könnte. Zwar war Cedric um einige Minuten älter als sein Bruder, aber niemand auf der Plantage hielt es für möglich, dass der kranke Junge irgendwann den Besitz würde übernehmen können. Es gab Tage, da war dieser dem Tod näher als dem Leben. »Master Finn, sie sind bei Ihrem Bruder Cedric. Es geht ihm nicht gut. Ich bin auf dem Weg zu ihm, um kaltes Wasser zu bringen.«

 

Augenblicklich schob sich der junge Mann mit seiner Beute an ihr vorbei, streifte Thalias Busen, die unter dieser Berührung erschauerte. Die Zimmertür war weit geöffnet und bot freie Sicht auf Cedrics Bett. Der Vater stand wachend an der Seite, während seine Mutter auf einem Stuhl saß und unentwegt über die bleichen Wangen des Bruders strich. Wie erbärmlich! Derart umsorgt wurde ich nie!, grollte Finn insgeheim. Er stürmte in den Raum. »Ist er endlich tot? Genauso wie mein erlegter Hund?«